Impact durch mehr Mut zur Gründung

Warum ist »human centricity« für Wissensschaffende so wichtig? Die promovierte Philosophin mit Unternehmergeist Katharina von Knop, erzählt im Interview mit Forschungsmanager Christian Schunck (Fraunhofer IAO), wie Fraunhofer den Impact durch die Integration sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse und mehr Mut zur Gründung den Impact der erzielten Forschungsergebnisse erhöhen kann.

Katharina von Knop

Katharina, Du bist promovierte Philosophin warst Unternehmerin und Du bist jetzt eine der treibende Kräfte für vertrauenswürdige KI und Digital Trust beim VDE. Welche Rolle spielt die Wissenschaft heute?

In meinem Alltag spielt Wissenschaft eine sehr große Rolle, weil wir im Team Lösungen vertrauenswürdige KI und neue Geschäftsmodelle entwickeln. Und da sind neueste wissenschaftliche Erkenntnisse sowohl auf der technischen Seite, aber auch der sozialwissenschaftlichen Seite, sehr relevant. Deswegen bin ich permanent am Lesen und bilde mich fort, um mitzubekommen, was gerade Neues passiert.  Wenn man so nah am Puls der Zeit ein unternehmerisches Geschäftsmodell aufgebaut hat und aufbaut, da muss Wissenschaft eine ganz große Rolle spielen.

Und bist Du in diesem Zusammenhang auch in Kontakt mit Wissenschaftsorganisationen wie z.B. Fraunhofer?

Um auf dem aktuellen Stand der Zeit zu bleiben, muss ich im Kontakt mit verschiedensten Wissenschaftsorganisationen, also Wissenschaftlern, sein und das sind Wissenschaftler aus der Fraunhofer Community, aber auch aus anderen Nationen. Das wäre sehr eng gedacht, sich nur auf Deutschland zu konzentrieren. Die USA, das UK, die Schweiz und Deutschland sind hier vier Epizentren.


Du hast erwähnt, dass auch sozialwissenschaftlichen Erkenntnisse für Dich eine große Rolle spielen, kann Dir da Fraunhofer weiterhelfen?

Ja und nein. Wir brauchen sozialwissenschaftliche Erkenntnisse, um die ein oder andere technische Lösung besser zu machen. Technischen Lösungen haben häufig einen Gap in Bezug auf „human centricity“, „Human-Machine-Interaction“ aber auch konkret, wie beeinflusst KI das menschliche Entscheidungsverhalten. Um erfolgreich neue Geschäftsmodelle zu entwickeln sind sozialwissenschaftliche Erkenntnisse die entscheidende Schlüsselkompetenz. Man kann kein Geschäftsmodell erfolgreich entwickeln, wenn man die Kunden, ihre Probleme und ihr Entscheidungsverhalten nicht versteht.

Aus diesem Grund findet man zum Beispiel am Fraunhofer IAO, das sich auf die Gestaltung von Technologie mit dem Menschen im Mittelpunkt konzentriert, auch viele Mitarbeitende aus den Sozialwissenschaften.

Sobald es eine Mensch-Maschine Schnittstelle gibt, sollte man sich sehr intensiv mit den Menschen beschäftigen, weil man sonst Gefahr läuft und dann überrascht ist, dass Nutzerinnen und Nutzer eine doch so geniale Lösung überhaupt nicht mögen. Dann versteht man das nicht und denkt: die Menschen sind halt doof. Nein, die sind nicht doof, man muss sich halt nur ein bisschen mit ihnen beschäftigen.

Du warst selbst Wissenschaftlerin bei Fraunhofer und hast immer noch Kontakt zu Fraunhofer. Könntest du das beschreiben, welche Kontakte du noch unterhältst und mit welchen Schwerpunkten?

Ich unterhalte verschiedene Formen von Kontakten zur Fraunhofer. Zum Beispiel unterstütze ich regelmäßig als Mentorin verschiedene Programme. So bleibe ich auch immer am Puls der Zeit und es ergeben sich hier und da – wo es sinnvoll für ein KMU ist – Forschungsprojekte. Aber auch generell suche ich einfach einen lockeren fachlichen Austausch auch auf Konferenzen.

Ich betrachte mich eigentlich immer noch als Wissenschaftlerin,  aber auch als Unternehmerin also beides. Die Denkweisen sind unterschiedlich aber beide Denkweisen sind wichtig.

Was wünschst Du Dir von Fraunhofer?

Bei Fraunhofer wünsche ich mir oft ein bisschen mehr Entrepreneurial Spirit.  Es gibt bei Fraunhofer viele großartige Lösungen, die eigentlich danach rufen auf den Markt gebracht zu werden, aber dann? Dann versauern sie in den Schubladen der Patentarchive und sind für Unternehmen oder andere Organisationen gar nicht so leicht nutzbar, obwohl sie ursprünglich zumindest teilweise von Steuergeldern finanziert worden sind. Die Patente sind nicht ja finanziert worden, damit sie in Archiven vergammeln und jedes Jahr wieder mit viel Geld neu reaktiviert werden. Das ist dann schade.

Was könnten wir als Fraunhofer Gesellschaft tun, um unseren Impact zu vergrößern?

Also erster Schritt: wirklich viel mehr ausgründen. Die Fraunhofer Wissenschaftler sind sehr gute Wissenschaftler und nicht jeder ist zum Unternehmer geboren oder kann es lernen. Dann macht es Sinn, die Wissenschaftler in der Forschung zu lassen und dann aus der Wissenschaft heraus diese Neugründung weiter zu befeuern. Gute CEOs usw. kann man finden.

Zweiter Schritt: eine leichtere Verfügbarmachung vorhandener Patente. Zum Beispiel kann ein junges Unternehmen die Zahlungen, die bei einer Patentnutzung erforderlich werden, zu Anfang noch gar nicht leisten und muss vielleicht nur deswegen eine Kapitalrunde drehen. Dann macht es Sinn, das Fraunhofer vielleicht erstmal einen Moment wartet bis das Unternehmen diese Lösung für den Markt aktiviert hat und Kapitalflüsse erfolgen und erst zu diesem Zeitpunkt die Zahlungen an Fraunhofer beginnen. Dabei gewinnt auch Fraunhofer, denn im anderen Fall bekommen Fraunhofer gar nichts und dann werden auch die Steuergelder nicht refinanziert.

Was die Nutzbarmachung von Patenten anbelangt, braucht es eine prozessuale Vereinfachung, weil wir uns in einem globalen Wettbewerb befinden. Wenn man sich das Input Output Verhältnis anschaut, hat im europäischen Vergleich kein Land so eine große Forschungs- und Entwicklungslandschaft wie Deutschland. Aber was kommt dabei raus an Unternehmen und marktfähigen Produkten? Da ist definitiv ein Gap und das können wir besser. Da müssen wir unsere Systeme ein bisschen mehr öffnen und dann geht das. Das würde ich von der Fraunhofer Gesellschaft erwarten.

Und von uns als Fraunhofer Wissenschaftler:innen?

Mehr Mut zur Gründung! Also ich hatte als Mentorin innerhalb des AHEAD Programms mehrfach wirklich tolle Teams und dann wollen die Mitarbeiter:innen ihre wunderschönen Fraunhofer Verträge nicht aufgeben.

Da müssen wir den Leuten mehr Mut machen: gebt euren schönen Fraunhofer Verträge auf! Selbst wenn die Gründung dann nicht funktioniert und in die Hose geht, habt ihr ganz kostbare Lernkurven gesammelt.  Damit nimmt man Euch auch gerne zurück: jetzt habt ihr Unternehmertum gelernt und das kann auch wieder die Wissenschaft befruchten. So bringt man einen neuen Drive und Spirit mit. Da brauchen wir eine Durchlässigkeit der Systeme.

Also mehr Sprünge aus der gefühlten Sicherheit bei Fraunhofer in die freie Wirtschaft?

Es ist eben nur eine gefühlte Sicherheit. Mit der Gründungserfahrung wird man für die Wissenschaft oder für andere Industrien doch viel attraktiver. Das so gewonnene Mindset das eine Gründung mit sich bringt, die Fähigkeit, schnelle Entscheidungen zu treffen, diesen Drive, den kann man im Grunde nur durch eine Gründungserfahrung erwerben.  

Was ist Impact für Dich aus Deiner Perspektive als Wissenschaftlerin, aber genauso auch als Unternehmerin?

Als Wissenschaftlerin würde ich erstmal fragen, wie Impact denn definiert worden ist, mehr als Einfluss oder mehr als Wirksamkeit?

Es kann in beide Richtungen gehen – es gibt unterschiedliche Definitionen. Insofern kannst Du gerne einfach sagen, was Impact für Dich heißt?

Als Wissenschaftlerin: definitiv wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen, die eine positive gesellschaftliche Wirkung haben. Die Gesellschaft nach vorne zu bringen sowohl aus der technologischen aber auch aus der sozialwissenschaftlichen Perspektive.  Und als Unternehmerin käme noch ergänzend die unternehmerische Wertschöpfung hinzu in Verbindung mit dem Schaffen von Arbeitsplätzen.

Alle diese Faktoren für Impact sind ganz, ganz wichtig für eine liberale Demokratie: wissenschaftliche Erkenntnisse sammeln, die einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft haben und dann Gewinne zu erwirtschaften, Steuern zu bezahlen und Arbeitsplätze zu schaffen. Davon lebt die Gesellschaft, das ist unser Brot.

Impact im Sinne von der Schaffung von Arbeitsplätzen ist in den Gesprächen, die ich in letzter Zeit geführt habe, in dieser Klarheit bisher noch nicht genannt worden.

Menschen brauchen Aufgaben. Man kann es nicht beim Wegrationalisieren belassen.

Wie wichtig war die Kooperation mit externen Wissenschaftler:innen? Deinem Lebenslauf habe ich entnommen, dass du nicht nur bei Fraunhofer aktiv bist und verschiedene Programme unterstützt, sondern auch bei anderen Wissenschaftsorganisationen, wie der Max Planck Academy oder der German Scholars Organisation. Wo gibt es da Unterschiede beim Impact?

Max Planck macht Grundlagenforschung und Fraunhofer angewandte Forschung. Beides ist wichtig für Unternehmen, die erkennen, dass man diese Erkenntnisse auch unternehmerisch nutzbar machen kann. Die German Scholar Organisation hat einen sehr hehren Anspruch, nämlich Wissenschaftler:innen nach Deutschland zu holen für die Wissenschaft, aber auch für die Industrie und Verwaltung. Das Ziel ist also Brainpower nach Deutschland zu holen, und davon können wir nicht genug haben, wenn jedes Jahr 100.000 hochqualifizierte Leute das Land verlassen. Wir haben einen heftigen Braindrain, ohne dass dem wirksame Konzepte entgegenstehen.

Sollte Fraunhofer noch internationaler werden?

Dazu fehlt mir eine verlässliche Zahlenbasis inwieweit das die angewandte Forschung und dann die unternehmerische Nutzbarmachung oder andere Formen der Nutzbarmachung unterstützen und fördern würde. Eine weitergehende Internationalisierung sollte Deutschland als Wissenschafts- und Industriestandort weiter nach vorne bringen. Um das zu beurteilen, braucht man KPIs. Wissenschaft lebt vom Austausch. Die Frage ist, zu welchen Themen und innerhalb von welchem Wissenschaftsdisziplinen man sich mit wem austauscht. Da gibt es auch Risiken und politisch hochsensible Themen. In diesem Zusammenhang erwarte ich noch spannende Diskussionen.


Liebe Katharina, vielen Dank für das Gespräch.