Austausch als Wert an sich
Mit zunehmender Unternehmensgröße wird der persönliche, vertrauensvolle Austausch über Standorte und Unternehmenseinheiten hinweg immer schwieriger. Dabei liegen große Chancen und Mehrwerte im persönlichen Austausch: die Erweiterung des eigenen Netzwerks, Kennenlernen von Themen und Kompetenzen, und nicht zuletzt, der vertrauensvolle Austausch über Kundenprobleme und -bedarfe, sofern das von diesen legitimiert bzw. gewünscht ist.
Bedeutung für Fraunhofer
Auch den Mitarbeitenden der Fraunhofer-Gesellschaft fällt es oft nicht leicht, Netzwerke über die Grenzen ihrer dezentralen Struktur aus über 70 Instituten aufzubauen und zu pflegen. Die dezentrale Struktur erschwert eine institutsübergreifende Kundenbeziehungspflege.
Auf der anderen Seite gibt es bei Fraunhofer – wie in jedem anderen Unternehmen – ausgezeichnete Netzwerker*innen, die Informationen aktiv teilen und denen der Wert des informellen Wissensaustauschs und der Beziehungspflege sehr bewusst ist.
Eine Studie des Marktforschers Nielsen sagt: »Die glaubwürdigste Werbung kommt direkt von den Menschen, die wir kennen und denen wir vertrauen. Mehr als 8 von 10 Befragten weltweit (83 %) geben an, dass sie den Empfehlungen ihrer Freunde und Familie vollständig oder etwas vertrauen.« [1]
Auch bei Fraunhofer spielen Vertrauen und Empfehlungen eine wichtige Rolle für Beauftragungen aus der Industrie. Voraussichtlich liegt noch einiges, bislang ungenutztes Potenzial im vertrauensvollen institutsübergreifenden Austausch zu Kundenbeziehungen und -bedarfen. Insbesondere Wissen, das im Rahmen von Projektarbeit mit Unternehmen über deren Bedarfe an Hochtechnologie und F&E Dienstleistungen, ihre Geschäftsmodelle und Ansprechpartner*innen erzeugt wird. Verbesserter, Fraunhofer-interner Austausch führt zu einem verbesserten oder erweiterten Angebot und dient letztendlich dem Kunden.
Date-My-Mate
Um dieses Potenzial zu heben, hat sich 2019 im Rahmen des Fraunhofer Forschungsmanager-Programms mit Mario Baum (ENAS), Jens Garbas (IIS), Andreas Menne (UMSICHT) und Stefan Tröster (ICT) eine Projektgruppe gebildet, die das Ziel verfolgt, Beziehungsnetze innerhalb von Fraunhofer abzubilden und damit den Mehrwert des persönlichen Austauschs sichtbar zu machen. Es geht dabei nicht um eine weitere virtuelle Netzwerkplattform sondern um die Visualisierung tatsächlich (real!) stattgefundener Austausche. Damit lassen sich zwei Dinge erreichen:
- Sichtbarmachen von Keimzellen zu Themen-Communities; damit Bekanntmachen von Ansprechpartnern und Öffnen von Netzwerken
- Incentivierung des persönlichen Austauschs über Institutsgrenzen hinweg und Stimulierung von Nachahmern (give & take Ansatz)
Der Austausch zwischen Menschen steht dabei im Vordergrund, die technische Plattform ist einfach gehalten und die Nutzung niederschwellig.
Die Teilnehmenden der Plattform, die sich beispielsweise auf Veranstaltungen begegnen, können ihre Gesprächsthemen sofort im Nachgang mit bis zu drei „Hashtags“ verschlagworten und ggf. mit einer 160-Zeichen-Notiz versehen. Wenn sich die Gesprächsteilnehmenden einig sind, werden sie und ihre Gesprächsthemen auf der Plattform für das ganze Netzwerk sichtbar. Daraus soll sich ein Netzwerk entwickeln, bei dem sich die Nutzer einen schnellen Überblick über aktuelle Themen, Themencluster und aktive Player bei Fraunhofer verschaffen können, um sich dann über weitere Gespräche miteinander weiter zu vernetzen.
Date-My-Mate Web Application
Im Ergebnis ist eine Fraunhofer-eigene Software zur Dokumentation und Visualisierung von Beziehungen zwischen Nutzern einer definierbaren Nutzergruppe (z.B. der Forschungsmanager-Community) entstanden. Die Software ist im Quellcode verfügbar und vollständig dokumentiert. Sämtliche Quellen und Dokumentationen können durch Fraunhofer-Mitarbeitende über ein Code-Repository angefordert werden.
Die Software ist als Responsive Design Web Application gestaltet, kann somit mobil oder am PC genutzt werden und einfach an rechtliche Rahmenbedingungen und Unternehmensrichtlinien angepasst werden. Eine Testinstallation wurde in der Community der Fraunhofer-Forschungsmanager*innen temporär ausgerollt.
Die folgenden Screenshots zeigen exemplarisch das Nutzerinterface:
Das System bietet einen einfachen Einstieg, hat wenige, klare Spielregeln für die Nutzung und ist für verschiedene Forschungscommunities nutzbar. Um die Sichtbarkeit der Teilnehmenden und ihrer Themen zu gewährleisten, vor allem auch, um die für die Nutzung so wichtige Vertrauensbasis zu erhalten, sollte eine Netzwerkgröße von jeweils etwa 150 Personen nicht überschritten werden. Mit der Date-my-Mate-Plattform können sich Mitarbeitende über Instituts- und Hierarchieebenen hinweg auf einfache Weise vernetzen. Innerhalb eines Netzwerkes sollen sich dadurch einzelne Wissenscommunities entlang tatsächlicher Bedarfe aus der Wirtschaft bilden. Maßgeblich für die persönliche Sichtbarkeit im Netzwerk sind die Art und Anzahl der themenbezogenen getätigten Austausche. Das System »misst« die Aktivität der Teilnehmenden und Aktualität der Themen. Dieses wird visualisiert und hierin besteht die Incentivierung. Der wesentliche Unterschied zu den bekannten Kompetenz-bezogenen Darstellungen, etwa auf Websites, liegt also darin, dass die Teilnehmenden, die häufig und kompetent im Austausch stehen, schnell gefunden werden.
Ausblick
Der Proof-of-Concept mit einem erweiterten Benutzerkreis sollte auf einer internen Netzwerkveranstaltung 2020 erfolgen und im Erfolgsfall ausgeweitet werden. Aufgrund der Coronapandemie und den damit verbundenen Kontakteinschränkungen, musste der Test verschoben werden. Unser Kommunikationsverhalten hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Bei einem neuen Testlauf ist sicherlich zu prüfen inwiefern die Annahmen, die dem Konzept zu Grunde liegen, noch zutreffen. Dennoch glauben wir, dass das System einen wertvollen Beitrag zur Vernetzung und für ein verbessertes Kundenangebot bei Fraunhofer leisten kann – am Wert eines starken persönlichen Netzwerks hat sich sicher nichts verändert.
[1] Global Trust in Advertising https://www.nielsen.com/insights/2015/global-trust-in-advertising-2015/