Warum es sich lohnt Forschung sichtbar zu machen
In Zeiten, in denen die Aufmerksamkeitsspanne kürzer, soziale Medien radikaler und wissenschaftsfeindliche Stimmen lauter werden, zeigt Amelie Reigl wie es auch gehen kann. Als Doktorandin am Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC arbeitet und forscht sie an Methoden zur künstlichen Nachbildung menschlicher Haut. Nebenbei produziert Amelie kurze Video-Botschaften für die Videoplattform TikTok. Die Clips sollen ihre Arbeit und ihre Forschung erklären und verständlich machen. Mehr als eine halbe Millionen Menschen folgen ihren Inhalten. Amelie Reigl ist Wissenschaftskommunikatorin und damit auch Testimonial für Impact durch Sichtbarkeit.
Warum Wissenschaftskommunikation wichtig ist
Natürlich ist es eine berechtigte Frage, ob das ohnehin schon umfangreiche Tätigkeitsprofil in der angewandten Forschung auch noch die Rolle „Science-Influencer“ beinhalten muss. Soweit muss man aber vielleicht auch erst einmal gar nicht gehen. Trotzdem: Als Forschungspartner von Wirtschaft und Gesellschaft ist der Auftrag von Fraunhofer nicht allein die wissenschaftliche Exzellenz, sondern die Anwendung und Bereitstellung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden. Wissenschaft ist somit das Mittel für mehr Innovation in der Praxis. Die zielgruppengerechte Kommunikation unserer Erkenntnisse ist daher also nicht zusätzliche Arbeit, sondern Teil der Arbeit, um diesen Transfer zu leisten. Das lässt vielleicht auch die nächste Presseanfrage oder ein Vortragsangebot in einem anderen Licht erscheinen. Denn diese Anfragen sind stet auch Möglichkeiten, um Impact durch Sichtbarkeit der eigenen Arbeit zu schaffen.
Die Wissenschaftskommunikation ist also wichtig für die angewandte Forschung, da sie Teil der angewandten Forschung ist.
Warum Forschende auch Wissenschafts-Botschafter sein sollten
Fraunhofer arbeitet in über 70 Instituten an den Antworten für die großen Herausforderungen unserer Zeit. Dennoch sind die Stimmen all derer, die maßgeblich zu technologischer Innovation und gesellschaftlichem Wandel beitragen, im öffentlichen Diskurs kaum wahrnehmbar. Fraunhofer-Forschende sitzen nicht in TV-Talk-Shows, werden (zu) selten von Medien gefragt und verfügen nicht über hunderttausende Follower. Dabei kann technischer Fortschritt nur dann seinen Weg in die Welt finden, wenn in der Gesellschaft ein grundlegendes Verständnis und ein Vertrauen gegenüber der Veränderung und neuen Möglichkeiten besteht. In anderen Worten: Information und Bildung führt zu Akzeptanz. Dieser Aufgabe können wir uns nicht entziehen.
Wie sehen also Anwendungsmöglichkeiten und Handlungsspielräume aus? Was ist bislang auch noch unbekannt? Es braucht diese proaktive, konstruktive und sachliche Einordnung aus der angewandten Forschung. Denn sonst übernehmen andere die Interpretation und Deutungshoheit über unsere Arbeit. Im Extremfall führt dies zu einer starken Verzerrung realer Gegebenheiten, erkennbar an Marketing-Buzzwording, Innovationstheater, Verschwörungstheorien oder diffusen Ängsten.
Was man braucht, um Wissenschaftsbotschafter zu werden
Um selbst Wissenschaftsbotschafter zu werden, muss man die Aufgabe für sich erkennen und annehmen. Denn die Anreize sind auf den ersten Blick begrenzt. Für die individuelle Karriere und wissenschaftliche Laufbahn ist es zunächst einmal wichtig, innerhalb des eigenen Instituts und innerhalb der eigenen Community bekannt und anerkannt zu sein. Wie und ob andere darüber hinaus nachvollziehen können, was man tut, ist zweitrangig.
Wissenschaftskommunikation muss an den Instituten stärker gefördert werden. Es braucht gute und professionelle Angebote, die es den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern erleichtern Beiträge, Videos oder Grafiken zu erstellen.
Gute Unterstützung bedeutet jedoch nicht, dass nicht auch noch selbst viel tun wäre. Kommunikation ist auch immer Arbeit. Kommunikation erfordert Disziplin und Ausdauer, kann aber auch sehr bereichernd sein für den eigenen Arbeitsalltag und die eigene Forschung. Denn Kommunikation ist stets auch Reflektion, die in ihrer Entstehung, aber auch im späteren Austausch zu neuen Impulsen, Ideen und Kontakten führen kann.
Wissenschaftskommunikation für mehr Impact benötigt folglich Motivation, institutionelle Unterstützung und viel Fleißarbeit. Denn Impact entsteht durch Sichtbarkeit. Genau deshalb muss Forschung sichtbarer werden. Auf allen Kanälen, nicht nur bei TikTok.