„Am Ende brauchen wir durch Forschung Lösungen für Alltagsfragen, aber auch für große Menschheitsfragen, wie den Klimawandel und die Digitalisierung” sagt Oliver Kaczmarek, Sprecher für Bildung und Forschung für die SPD-Bundestagsfraktion und Obmann im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung. Im Interview mit Fraunhofer Forschungsmanager Benjamin Müller (Fraunhofer IBP) erzählt er, wie er im Bundestag die Möglichkeit frei zu forschen schützt und wie wir als Fraunhofer-Gesellschaft aus seiner Sicht den größten Impact in der Politik aber auch in der Gesellschaft erreichen können.
Herr Kaczmarek, was ist Ihre Aufgabe im Bundestag in Bezug auf die Forschungsorganisationen in Deutschland?
Ich beschäftige mich größtenteils mit der Frage, wie wir die forschungspolitischen Rahmenbedingungen so gestalten können, dass die Forschungsorganisationen, darunter auch Fraunhofer, ihrem Missionsauftrag gerecht werden können.
Inwieweit haben Sie Kontakt zu Fraunhofer?
Es gibt immer wieder Institute, die im Rahmen des Fraunhofer Morgen-Radars ihre Arbeit im Bundestag vorstellen. Wenn es in meinen parlamentarischen Ablauf passt, schaue ich hier gerne vorbei und informiere mich über die aktuellen Erkenntnisse der Fraunhofer-Gesellschaft. Ein Problem ist nämlich, dass wir uns hier zu einem großen Teil mit den Rahmenbedingungen beschäftigen, aber nicht so sehr mit dem, was in den Institutionen gemacht wird.
Dabei wurden auch für meinen Wahlkreis wichtige Themen bearbeitet. Beispielsweise beim Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik in Dortmund. Das ist das nächste zu meinem Heimatort und im östlichen Ruhrgebiet spielen die Logistikfragen eine große Rolle. Aus meiner Sicht gibt es hier Fraunhofer-typisch eine sehr gute Schnittstelle zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis und der Anwendung bei den dort ansässigen Unternehmen.
Was sind die Themen, die Sie in Bezug zu Fraunhofer aktuell als Bundestagsabgeordneter beschäftigen?
Ganz aktuell geht es natürlich um die Frage, wie wir zum Beispiel die steigenden Energiekosten so abfedern, dass die einzelnen Institute – vor allem diese mit Reinräumen oder anderen energieintensiven Einrichtungen – nicht in ihren Forschungsaktivitäten eingeschränkt werden. Außerdem beschäftigen wir uns regelmäßig mit der Frage, wie der Pakt für Forschung und Innovation ausgestattet wird, der ja für die Fraunhofer Gesellschaft einen stabilen Finanzierungsrahmen für eine Dekade mit garantierten Aufwüchsen in jedem Jahr bietet.
Was heißt Impact für Sie?
Impact heißt für mich, dass sich eine Situation nach dem Ergreifen einer Maßnahme nachhaltig verbessert. Es ist einer dieser Begriffe, der in der forschungspolitischen Diskussion manchmal so einfach und ein bisschen unreflektiert verwendet wird, obwohl jeder etwas Anderes darunter versteht. Insgesamt geht es für mich in der Forschungspolitik um gesellschaftlichen Fortschritt in all seinen Facetten und das bezieht eben neben sozialen und ökologischen Aspekten auch technologischen Fortschritt und technologische Nachhaltigkeit mit ein. Und da hat Fraunhofer, glaube ich, eine große Stärke – gerade in den technologischen Bereichen. Generell bin ich der Meinung, dass in der Wissenschaftspolitik nicht nur die Betrachtung auf eine Wirkungsdimension hin erfolgen sollte, sondern dass wir alle Dimensionen im Blick haben müssen. Am Ende brauchen wir durch Forschung Lösungen für Alltagsfragen, aber auch für große Menschheitsfragen, wie den Klimawandel und die Digitalisierung. In den letzten Jahren während der Corona-Pandemie ist nochmal besonders deutlich geworden, dass die Wissenschaft in der Mitte der Gesellschaft verankert sein muss.
Was brauchen Sie von uns, um mit unserer Forschung zu einem hohen Impact beizutragen?
Ich brauche Informationen und Materialien über neue Erkenntnisse. Das große Privileg als Abgeordneter ist, dass so viele Türen aufgehen, und dass man immer eine Antwort bekommt, wenn man eine Frage stellt. Wenn wir zu einem Forschungsthema Informationen brauchen, dann wird das meist über die über die Hauptstadt-Repräsentanz organisiert, mit denen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Fraktion in engem Austausch stehen. Was ich nicht brauche, sind noch mehr Termine. Ich bin mit dem Präsidenten der Fraunhofer-Gesellschaft im Austausch, ich treffe mich auch mit anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu wichtigen Fragen wie beispielsweise aktuell der Energiefrage. Was wir nicht brauchen, sind noch weitere Veranstaltungsformate. Hier gibt es schon gute Angebote der Fraunhofer-Gesellschaft wie beispielsweise das Morgen-Radar.
Worauf kommt es denn bei der Wissenschaftskommunikation an, die Sie gerade angesprochen haben?
Auf gute Kommunikation. Auf Sachen, die hängen bleiben und Interesse wecken. Zu viel Information ist auch nicht gut. Wir bekommen hier jeden Tag eine riesige Menge an Zuschriften. Herauszufinden was wirklich gut und nachhaltig ist, das ist meine Aufgabe. Worauf es vor allem ankommt? Auf einen knappen Einstieg anknüpfend an die Lebenswelt, die wir hier haben. Auf den Bezug zu den politischen Entscheidungen, die aktuell bei uns anstehen. Auf den klaren Bezug zu Lösungen, die Fraunhofer dazu anbieten kann. Und auf die Möglichkeit, sich bei einer grundlegenden Passung vertieft dazu zu informieren. Dazu bevorzuge ich dann meist das persönliche Gespräch – beispielsweise auf einem parlamentarischen Abend oder im bilateralen Austausch. Aber auch mit einem schriftlichen Austausch, beispielsweise durch schriftliche Gutachten, habe ich schon gute Erfahrungen gemacht.
Was ist Ihrer Ansicht nach die Rolle der Fraunhofer-Gesellschaft im Vergleich zu den anderen Forschungsorganisationen in Deutschland? Worauf sollten wir uns als FHG fokussieren?
Natürlich wollen wir aus allen Forschungseinrichtungen auch Erkenntnisse gewinnen, die in der Praxis umgesetzt werden können und auch Unternehmensgründungen aus der Forschung heraus sollten aus allen Institutionen möglich sein. Denn für mich hat Forschung vor allen Dingen erstmal den Zweck, die Erkenntnisse zu gewinnen. Wo genau verorte ich die Fraunhofer-Gesellschaft? Mit dem Schwerpunkt der anwendungsorientierten Forschung in der Zusammenarbeit mit Industrie und Partnern, die natürlich ihrerseits auch mit zur Forschung beitragen müssen – beispielsweise dadurch, dass sie eigene Mittel einsetzen. Es gibt hier große Synergieeffekte zu Fraunhofer – und das sieht man ja auch, wenn man sich die Zahlen wie beispielsweise eingeworbene Drittmittel bei Fraunhofer anschaut.
Welche Rahmenbedingungen schaffen Sie im Bundestag für uns, um als Fraunhofer-Gesellschaft Impact zu erzeugen?
Wir sind als Bildungs- und Forschungspolitiker:innen in besonderer Weise gefordert, immer wieder den Rahmen nicht nur zu setzen, sondern auch zu verteidigen. Wir haben im Bundestag nicht nur ein Ressort, sondern viele verschiedene und da gibt es natürlich auch Konkurrenzen und Begehrlichkeiten. Alle Politikerinnen und Politiker sind nicht nur in einem Politikfeld zuständig, sondern für alle Entscheidungen, an denen sie mitwirken. Wir müssen immer schauen, wo wir Gemeinsamkeiten finden und wie die Zusammenarbeit der einzelnen Ressorts gut funktionieren kann.
Darauf hinzuweisen, dass Investitionen in Forschung und Entwicklung von ganz grundlegender Bedeutung für uns und den Wohlstand in unserem Land sind, das ist eine meiner zentralen Aufgaben. Eine große Rolle spielt beispielsweise, dass wir die Rahmenbedingungen für Forschung finanziell stabil halten. Aber auch der Schutz der rechtlichen Rahmenbedingungen ist für uns hochrelevant. Wir haben hier in Europa und in Deutschland im Besonderen ein Wissenschaftssystem und eine Wissenschaftskultur, welche die Wissenschaftsfreiheit sehr hoch hält. Diese Freiheit in der Forschung zu schützen, das ist unsere Aufgabe.
Was müssen wir als Fraunhofer-Gesellschaft tun, um unseren Impact noch zu vergrößern?
Es ist besonders wichtig, die richtigen Impulse an den richtigen Stellen zu setzen und dazu Wissen und Erkenntnisse entsprechend aufzuarbeiten. Ich glaube, viele meiner Kolleginnen und Kollegen, die nicht Forschungspolitik machen, haben auch ganz viele Fragen, die im Portfolio der Fraunhofer-Gesellschaft abbildbar sind. Informationsmöglichkeiten und ein Angebot im Dialog zu sein, auch vielleicht mal mit echten Forscherinnen und Forschern sprechen zu können, ist glaube ich das Wichtigste. Es geht nicht um mehr Zeit durch zusätzliche Veranstaltungsformate, es geht um die richtigen Impulse.
Im Übrigen schafft dieser Dialog zwischen Wissenschaft und Politik auch die Legitimation für den ganzen Rahmen, den wir hier erarbeiten. Es wird in Deutschland nie einer sagen „Für Forschung müssen wir nicht so viel Geld ausgeben“, das habe ich bei uns in der Fraktion noch nie erlebt. Es wissen alle, dass es wichtig ist in Bildung und Forschung zu investieren. Aber ich glaube, wenn man mal das Erlebnis hatte, mit jemandem über seinen Untersuchungsgegenstand zu sprechen und abzuleiten, was man davon auch für die eigene Arbeit mitnehmen kann, dann schafft das eine ganz andere Anbindung an die Entscheidungsträger:innen hier im Bundestag und sehr viel Rückhalt für ihre Arbeit.