Gesellschaftlicher Impact

Gesellschaftlicher Impact braucht Geduld und Idealismus 

Im klassischen Sinne sind Forschungsprojekte bei Fraunhofer erfolgreich, wenn die Ergebnisse in Projekten mit der Industrie verwertet werden können und die Industrie bereit ist, für die Verwendung der Fraunhofer Innovationen Geld zu investieren.  

Es gibt aber auch andere Verwertungspfade mit hoher gesellschaftlicher Relevanz. Diese bringen nicht notwendigerweise direkt Einnahmen aus der Wirtschaft und erfordern Idealismus und Geduld. In diesem Blogbeitrag möchten wir auf dieses Thema am Beispiel eines vormaligen EU-Projekts mit einem technischen Fokus eingehen. 

LIGHTest 

Das EU-Projekt Lightest hat neuartige digitalen Vertrauensinfrastrukturen entwickelt, mit denen sich die Vertrauenswürdigkeit von digitalen Transaktionen nach den individuellen Kriterien des Beurteilenden prüfen und nachweisen lässt. Das Projekt lief von September 2016 bis August 2019. Neben technischer Entwicklungsarbeit von Open Source Software integrierte das Projekt die Governance, Organization, Infrastruktur, Standards, Software, Community, und Know-How des existierenden Domain Name Systems (DNS).  

Use Cases mit gesellschaftlichem Impact 

Noch vor Projektende entwickelten sich erste Use Cases, mit denen man anfangs nicht gerechnet hatte. So interessierte sich 2018 das UNHCR an den Projektergebnissen, um Flüchtlingen weltweit Zugang zu neuen digitalen Technologien im Bildungsbereich zu geben. Über 5 Jahre hinweg werden nun die Ergebnisse in Projekten, die ganz wesentlich von internationalen Organisationen und Stiftungen getragen werden, standardisiert und einem breit gefächerten gesellschaftlichen Nutzen zugeführt so z.B. im Zusammenhang mit der Entwicklung eines internationalen Covid Zertifikats in der Zusammenarbeit mit der Linux Stiftung. Manche diese Tätigkeiten werden von den Stiftungen finanziell unterstützt andere werden im Wesentlichen durch den Idealismus der beteiligten Forscher vorangetrieben, die sich immer wieder auch um kleinere Projekte bewerben, zum Beispiel um notwendige Standardisierungsbemühungen voranzutreiben.  

Abb. 1 Verwertung der Ergebnisse des von der EU geförderten LIGHTest Projekts am Fraunhofer IAO. Die Ergebnisse in Projekte mit öffentlichen Organisationen und Stiftungen, in die Standardisierung und weitere Forschungsprojekte eingebracht. Eine umfassendere Verwertung in der Industrie findet erst 3 Jahre nach dem offiziellen Projektende statt (nicht dargestellt).   

Interesse aus der Industrie 

Erst im Jahr 2022/23 – also ca. 3 Jahre nach dem offiziellen Projektende entwickelt sich Interesse bei der Industrie und es ergeben sich größere Industrieprojekte z.B. in Zusammenarbeit mit Huawei.

Diskussionspunkte 

Das Beispiel von LIGHTest zeigt eine sehr erfreuliche Entwicklung. Aber diese positive Entwicklung lässt sich maßgeblich am Einsatz der beteiligten Forscher und auch einem Quäntchen Glück festmachen. Hier gibt es sicherlich Potenzial für Verbesserungen, insbesondere wenn man folgendes bedenkt: 

  • Es gibt keine systematische Erfassung oder Indikatorik für gesellschaftlichen Impact, die zum Beispiel die fast fünfjährige Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen und Stiftungen wie am Beispiel von LIGHTest abbilden würde. So bekommen viele solcher Projekte nicht die Sichtbarkeit, die sie innerhalb und außerhalb von Fraunhofer erhalten könnten. 
     
  • Für öffentlich geförderte Projekte gibt es nach Projektende kaum systematischen Prozesse, um die Projektergebnisse weiterzuentwickeln, auch wenn sie nachweisbar gesellschaftliche Relevanz haben. Die Forscher müssen dann in der Regel eine Weiterentwicklung einstellen, da sie schon auf neuen Projekten eingesetzt werden.  Nur mit Idealismus und Glück (z.B. wenn man zeitnah – auch kleinere – Anschlussprojekte in öffentlichen Ausschreibungen gewinnt) kann die notwendige Weiterentwicklung der Ergebnisse erfolgen. Dies ist bedauerlich, da auf diese Weise vielversprechende Innovationen und Ansätze schnell in Vergessenheit geraten können. 
     
  • Auch bei angewandten Forschungsprojekten kann es nach Projektende mehrere Jahre dauern, bis die Entwicklungen auf Investitionsbereitschaft bei der Industrie stoßen. Dieses Fenster ohne Förderung zu überbrücken ist nicht einfach, da man das notwendige Know-How nicht ohne weiteres vorhalten kann. Viele Forschende suchen sich in der Zwischenzeit andere Themen und berufliche Perspektiven. 

Mögliche Ansatzpunkte diese Herausforderungen zu adressieren wären: 

  • Jährliche interne Wettbewerbe zu gesellschaftlich relevanten Themen bei denen sich Forscher mit abgeschlossenen Forschungsprojekten ohne großen formalen Aufwand intern um eine Anschlussförderung bewerben könnten. So können die Sichtbarkeit von Projektergebnissen erhöht und notwendige Weiterentwicklungen zum Beispiel in Bereichen wie Standardisierung und Zertifizierung unterstützt werden. In gewissem Umfang wird dies durch die Zukunftsstiftung auch schon umgesetzt.
     
  • Mittelfristig sollte eine Indikatorik entwickelt werden, die über wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Impact hinaus besser nachvollziehbar macht, wie Fraunhofer in der Gesellschaft auch in anderer Hinsicht Impact erzeugt. 

Wenn Sie zu diesem Thema Ihre Gedanken mit einbringen möchten, dürfen sie gerne kommentieren oder schreiben Sie an impact@fraunhofer.de