„Fraunhofer ist für mich ein riesiger Schokobrunnen aus dem oben immer etwas Süßes herauskommt und der gar nicht mehr aufhört zu sprudeln“ sagt Florian Uri, verantwortlich in der Fraunhofer Zentrale für das Fraunhofer AHEAD-Programm. Das Programm unterstützt in seiner heutigen Form seit 2019 gründungsinteressierte und unternehmerisch aktive Wissenschaftler*innen durch Coachings, finanzielle Ressourcen und Networking dabei, ihre angewandte Forschung erfolgreich in den Markt zu bringen – als Ausgründung oder in Form einer Lizenzierung an Unternehmen. Doch wie kann dieses Engagement dazu beitragen, den Impact von Fraunhofer zu erhöhen? Dazu habe ich mit Florian gesprochen.
Florian, was treibt Dich bei Deiner Arbeit an?
Meine persönliche Motivation besteht darin, Mitarbeitenden bei Fraunhofer die Möglichkeit zu geben, ihre Ideen und Gedanken zu verfolgen und daraus Innovationen wachsen zu lassen. Ich komme aus dem wirtschaftswissenschaftlichen Bereich und habe vor meiner Zeit bei Fraunhofer zunächst einen neuen Geschäftsbereich bei Flixbus im Bereich Bus Charter mit aufgebaut. Danach war ich fünf Jahre im Vertrieb bei innosabi, einem Münchner Software-Spezialisten für community-basiertes Innovationsmanagement. Dort habe ich überwiegend mit großen Konzernen und Organisationen wie Siemens, Telekom, der Bundeswehr oder auch der US Air Force neue Innovationsprogramme für die innosabi Software Suite konzipiert und später den Vertrieb geleitet. Seit September 2021 kümmere ich mich nun um den Business Incubator „Fraunhofer AHEAD“. Mich begeistert es am meisten zu sehen, wie sich unsere Teams und ihre Teammitglieder innerhalb kürzester Zeit enorm weiterentwickeln und ihre Projekte auf den Markt bringen möchten. Die Energie, die dabei entsteht ist einzigartig und treibt einen selbst an.
Wie kann das AHEAD-Programm dabei helfen, den Impact von Fraunhofer zu erhöhen?
In AHEAD geht es darum, den Mitarbeitenden die Möglichkeit zu bieten, auf Basis ihrer Technologien aus Forschungsprojekten innovative Geschäftsideen und Projekte zu entwickeln und umzusetzen. Ich bin überzeugt davon, dass durch die Unterstützung von potenziellen Gründerinnen und Gründern positive Veränderungen in der Gesellschaft bewirkt werden können. Die Forschenden bei Fraunhofer sind ja von Haus aus sehr neugierige Menschen und das ist eine tolle Voraussetzung für die Entwicklung innovativer Ideen. Mit unserem Unterstützungsangebot von AHEAD wollen wir dazu beitragen, dass diese Neugier nicht durch die Ungewissheit, die eine potentielle Gründung mit sich bringt, gebremst wird. Wir reduzieren durch die monetäre Förderung aber auch durch Coaching und weitere Inhalte des Programms das Risiko, dass die Idee nicht fruchtet. Das AHEAD-Programm bietet somit einen sicheren Rahmen, um Dinge eigenständig und trotzdem zunächst im Fraunhofer-Kontext weiterzuentwickeln. Und wenn die Idee fruchtet, dann haben die Gründer*innen die perfekten Voraussetzungen, um mit ihrem Produkt in den Markt zu gehen.
Kannst Du Beispiele für ein solches Produkt nennen, in denen ein AHEAD-Projekt einen großen Impact erzeugt hat?
Ein gutes Beispiel ist aus meiner Sicht das aus dem Fraunhofer EMI hervorgegangene StartUp Connstellr. Dieses leistet Pionierarbeit beim Einsatz von thermischen Infrarot-Mikrosatelliten für die globale Überwachung der Landoberflächentemperatur. Mit ihrer Lösung tragen sie am Ende des Tages zu einer präziseren Landwirtschaft bei, in dem Pflanzen besser überwacht sowie Ertragsprognosen und ein nachhaltige Ressourcenmanagement optimiert werden. Die Kolleg*innen haben das AHEAD Programm innerhalb kürzester Zeit absolviert und wussten von Anfang an, dass sie gründen wollen. Inzwischen hat das Start-Up über 40 Mitarbeiter*innen, viele Preise gewonnen, (Stand heute) knapp 15 Millionen Euro Funding erzielt und leistet darüber hinaus einen wichtigen Beitrag zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft.
Was können Wissenschaftler*innen aus dem AHEAD-Programm für ihre tägliche Arbeit mitnehmen?
Hoffentlich alles natürlich! (schmunzelt). Spaß bei Seite, man kann es denke ich auf drei Kernbereiche herunterbrechen. Als erstes ist es wichtig, an das zu glauben, was man tut. Dazu zählen die richtige Motivation und ein funktionierendes Team, das diese Motivation teilt. Um einen nachhaltigen Impact zu erzeugen, ist es aus meiner Sicht ebenfalls wichtig, sich auf eine klare Vision und Mission des eigenen Projekts zu konzentrieren und diese konsequent zu verfolgen. Das Hilft dabei, die in jedem Fall aufkommenden Herausforderungen unterwegs zu meistern. Dazu gehört es auch, diese Vision regelmäßig zu reflektieren und zu analysieren, ob man noch auf dem richtigen Weg ist. Gegebenenfalls sind darauf aufbauend Anpassungen der eigenen Pläne notwendig, wenn sich bspw. äußere Umstände ändern. Die dritte Komponente ist die Markt- und Kundenperspektive. Diese muss permanent in die eigene Arbeit einfließen, damit man den Product-Market-Fit erreicht und der Impact auch letztlich Wirkung erzielen kann.
Was sind Erfolgsfaktoren für mehr Impact in der Fraunhofer-Gesellschaft?
Für mich ist es essenziell, sich von Anfang an auf die Verwertbarkeit der Technologie zu konzentrieren und zu überlegen, wie sie ein bestehendes oder künftiges Problem lösen kann. Ich beobachte bei den AHEAD-Teams, dass 90% der Bewerbungen auf Hypothesen basieren, die nicht validiert sind. Diese Teams denken, dass es keine Hypothesen sind, weil sie es „irgendwie im Bauchgefühl” haben oder ein einziger Industriepartner grundsätzliches Interesse an der Technologie geäußert hat. Das führt dazu, dass die Technologie und deren Weiterentwicklung auf Annahmen beruht und sich nicht an den realen Bedarfen des Marktes orientiert. Der Erfolgsfaktor für mehr Impact aus meiner täglichen Arbeit ist also: Sprecht möglichst früh mit möglichst vielen relevanten Leuten über Eure Technologie und die Probleme die ihr damit lösen wollt. Holt Euch dabei ehrliches Markt-Feedback und iteriert darauf aufbauend Eure Forschung und Technologie in Richtung validierter Verwertungspotenziale. Erst, wenn mit der Technologie ein relevantes Problem gelöst wird, kann sich der Impact am Ende auch entfalten.
Wie können die Institute dabei unterstützt werden, diese Erfolgsfaktoren anzuwenden?
Da gibt es prinzipiell sehr viele Möglichkeiten. Eine davon bringt in meinen Augen direkt wieder die Forschungsmanager*innen ins Spiel. Wir bilden über das Prädikatsprogramm top Leute aus, die in der Lage sind, diese Erfolgsfaktoren in die Institute zu tragen und die Forschenden vor Ort in den frühen Phasen der Projekte bereits zu unterstützen sowie erforderliche Strukturen dafür zu schaffen. Wichtig ist, dass diese Kolleg*innen auch wirklich den notwendigen Freiraum für ihre Arbeit an den Instituten bekommen und das auch entsprechende gefördert wird. Danach muss man einfach spezifisch für jedes Projekt schauen, was die besten Optionen sind. Darüber hinaus gibt es auch noch eine Promotoren Community, die ebenfalls an den Instituten aktiv sind und dort den Transfer fördern. Wenn Euch die Forschungsmanager*innen oder Promotor*innen an Eurem Institut als mögliche erste Anlaufstelle nicht bekannt sind, dann fragt doch am besten mal nach.